Nick Alfieri hat am Montagabend sein Filmprojekt „Unicorn Town“ vorgestellt. Mehr als 300 Besucher kommen. Sie spenden ihm am Ende Standing Ovations.

 

Es ist ein Film über Nick Alfieri – und doch ist es das nicht. Es ist ein Film über die Schwäbisch Hall Unicorns. Und auch das trifft es nicht ganz, denn es geht weit über das sportliche Abschneiden der Haller Footballer hinaus. Eines aber ist es ganz sicher: ein Herzensprojekt des 26-jährigen US-Amerikaners, der seit 2016 für die Schwäbisch Hall Unicorns spielt.


87 Minuten lang ist der Film, den die rund 300 Besucher am Montagabend in der Kantine in einer Roh-Version, dem sogenannten „rough mix“ sehen. Ein Großteil des Films dreht sich um die Saison 2016, in der die Unicorns Vizemeister wurden. Doch Alfieri hat den Fokus nicht auf den Sport gelegt, er beschreibt sein Leben in Hall und bei den Unicorns – und genau das macht „Unicorn Town“ auch für wenig sportinteressierte Menschen sehenswert.


Vor der Premiere in der bereits abgedunkelten Kantine 26 nippt Alfieri an einem Bier. Er sei ungefähr so aufgeregt wie vor einem Spiel, bekennt er. Im Gespräch mit Unicorns-Pressesprecher Axel Streich berichtet er davon, dass das Filmprojekt schon in seinem Kopf war, als er 2016 nach Hall kam. Alfieri kam von der Filmhochschule, wollte sein Leben in Europa und den Football dokumentieren.


Sehr wahrscheinlich wäre „Unicorn Town“ völlig anders geraten, wenn sich Nick Alfieri nicht früh in der Saison 2016 das Schlüsselbein gebrochen hätte. Das Röntgenbild lässt die Zuschauer raunen, doch noch viel mehr kommt ein anderer Punkt zum Tragen. In der GFL ist es üblich, dass über eine längere Zeit verletzte „Import-Spieler“ nach Hause geschickt und ersetzt werden. Vereine machen das aus ökonomischen und sportlichen Gründen. Auch Alfieri kennt dieses Prinzip, rechnet fest damit, in die USA zurück zu müssen. Doch die Unicorns entscheiden sich anders: Alfieri darf bleiben.


Aufgrund der langen sportlichen Zwangspause fängt Alfieri an, sich über die Organisation der Unicorns Gedanken zu machen. Über diese vergleichsweise kleine TSG-Abteilung in einer kleinen Stadt, die trotz finanzieller Nachteile in Europa an vorderster Spitze zu finden ist. Und das macht den Film stark. So charmant und witzig die Einblicke in das Leben im sogenannten „Ami-Haus“ sind, das wegen des Baus des Weilertunnels nicht mehr existiert – die Szenen mit Gerry Jäger und vor allem mit Thomas „Smoke“ Rauch sind grandios –, das Eindrücklichere sind die Gespräche mit Spielern und Coaches über die Organisation der Unicorns. Siegfried Gehrke und Jordan Neuman sprechen über die Historie und Ideale.


Die beiden sind auch Protagonisten zweier außergewöhnlicher Szenen. Siegfried Gehrke betrachtet in einem Schaufenster Fanartikel der Unicorns. Nicht im Traum habe er bei der Gründung der Unicorns daran gedacht, mit dem Footballteam einmal Teil der Stadthistorie zu sein, „doch jetzt sind wir es“, sagt der ehemalige Headcoach und jetzige Sportdirektor der Unicorns. Gehrke wirkt dabei sehr gerührt.


Bei Jordan Neuman ist es eine vielleicht nur zwei Sekunden währende Szene, die dennoch viel über ihn und seine Einstellung verrät. Nach dem verlorenen German Bowl, in dem Hall den favorisierten Braunschweigern lange Paroli bot, sitzt Neuman zusammengekauert in der hintersten Ecke eines Ganges. Vor ihm türmen sich die verschwitzten Sportklamotten, die er gar nicht wahrnimmt, da er einfach nur tief enttäuscht ist.


Dass „Unicorn Town“ dennoch ein Happy End hat, liegt dran, dass die Haller Footballer 2017 Braunschweig in einem dramatischen Finale schlagen. Auch in diesem Moment steht der Sport nur bedingt im Vordergrund. Alfieri lässt seine US-Mitstreiter zu Wort kommen, die alle eines gemeinsam haben: Sie hatten bis dato noch nie einen Titel gewonnen.


Als der Film zu Ende ist, stehen die Zuschauer von ihren Sitzen auf und spenden lange Beifall.

 

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Kommentar von Hartmut Ruffer über den Film „Unicorn Town“

Professionelle Umsetzung

Als Nick Alfieri nach Schwäbisch Hall kam, soll der eine oder andere in der Unicorns-Organisation die Nase gerümpft haben: Statt zu filmen, soll er sich doch auf das Footballspielen konzentrieren. Betrachtet man nun „Unicorn Town“, dann war es die richtige Entscheidung, Nick Alfieri gewähren zu lassen. Der US-Amerikaner spricht von seiner „zweiten Heimat“ Hall und man nimmt ihm das ab.


Was „Unicorn Town“ so speziell macht, ist dessen Umsetzung. Es handelt sich nicht um ein zusammengeschustertes Homevideo, sondern um eine Sport- und Lebensdokumentation, die nicht nur sehr professionell wirkt, sondern es auch ist. Das ist auch schon im Roh-Mix erkennbar. Der Film reiht sich ein in die stetig wachsende Professionalisierung der Gesamtorganisation der Haller Unicorns, die dennoch auf fast ausschließlich ehrenamtlicher Arbeit fußt. Mitproduzent Brent Craft sieht gute Chancen, dass „Unicorn Town“ bei Netflix, Amazon oder HBO zu sehen sein wird. Ob das Hoffen auf den großen Vertrieb nun zu optimistisch ist oder nicht – es gibt an dem Film eigentlich nur eine Schwachstelle, die Pressesprecher Axel Streich auch erkannt hat: „Wenn, dann muss das schnell gelingen, denn der Film geht ja hauptsächlich über das Jahr 2016.“ Und das ist bekanntlich schon drei Jahre in der Vergangenheit. Doch selbst wenn sich der Traum Alfieris nicht erfüllt: „Unicorn Town“ ist sowohl für die Unicorns als auch für die Stadt Schwäbisch Hall hervorragende PR. Hätte man diese über Agenturen in Auftrag gegeben, hätte man sehr viel Geld in die Hand nehmen müssen.

   
   
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