Unicorns ein Leben lang – das trifft auf Junior Nkembi, Ian Gehrke und Tobi Löffler voll und ganz zu. Die drei Eigengewächse, die mittlerweile zu GFL-Stammspielern gereift sind, sprechen im Interview über die Anfänge ihrer Football-Karriere, Freundschaft unter Teamkollegen und die Besonderheit der Unicorns.

 

Ihr seid gerade mal Anfang 20 – trotzdem tragt ihr alle schon über ein Jahrzehnt das Unicorns-Trikot. Fühlt ihr euch schon wie Routiniers oder seid ihr doch noch eher die Lehrlinge, die sich von den Großen etwas abschauen?

Tobi: Football ist Football (lacht). Es ist halt alles ein bisschen größer und schneller in der GFL.

Ian: Mir kommt es noch viel länger vor als ein Jahrzehnt. Gefühlt haben die Unicorns uns das ganze Leben begleitet.

Tobi: Ja, wir haben ziemlich viel unserer Lebenszeit miteinander verbracht.

Ian: Für alle drei ging es letzte Saison vor allem darum, von den anderen zu lernen. 2019 haben wir in der GFL alle eine etwas größere Rolle.

Junior: Dennoch lernt man ja nie aus und wird über die Jahre besser und besser.

 

Ihr seid sowas wie die neue Generation von Unicorns-Eigengewächsen, die sich immer mehr Spielzeit in der GFL erarbeitet. Wie nervös seid ihr noch vor den Spielen?

Tobi: Durch die neue Regelung, nach der man ab 18 Jahren nach der Jugend-Saison bei den Aktiven einsteigen kann, habe ich mein erstes GFL-Spiel schon 2015 gemacht, da wird man ganz gut herangeführt. Und das hat mir auch für meine letzte Jugendsaison enorm geholfen, weil du dann schon das Körperliche und die Gegenspieler auf GFL-Niveau gewöhnt bist.

 

Was bedeuten die Unicorns für euch?

Junior: Die Unicorns haben uns, sportlich aber auch persönlich, ein Stück weit miterzogen. Die Art, wie ich heute denke, habe ich auch von unseren Coaches hier. Football ist schon ein sehr großer Teil meines Lebens.

Ian: Für mich ist Football „bigger than life“, das hängt aber auch damit zusammen, dass ich bei Sigi (Anm. d. Red.: Siegfried Gehrke) aufgewachsen bin (alle lachen).

Tobi: Es macht auf jeden Fall eine Menge Spaß, sonst würde ich es nicht machen. Auch wenn es für meinen Körper nicht das Beste ist (grinst).

Ian: Und man muss halt auch echt sagen, dass Football in Schwäbisch Hall was Besonderes ist. Bei anderen Teams hätte ich wahrscheinlich schneller mal mit dem Gedanken gespielt aufzuhören. Aber die Unicorns und die Coaches bewegen sich auf einem so hohen Niveau und die Atmosphäre ist der Wahnsinn…

Tobi: Das habe ich auch von Jungs von anderen Teams gehört. Gerade in den Großstädten machen die Teamkollegen kaum etwas miteinander. Dagegen ist es bei uns wie eine Familie – zwischen 10 und 18 Jahren habe ich mit den Jungs – Ian, Junior, Moe Schreiber, Cedric Ehrenfried und Nico Regner – meine komplette Zeit verbracht. Und das merkt man auch auf dem Feld, weil man sich einfach blind vertrauen kann.

 

Wie seid ihr auf American Football aufmerksam geworden und bei den Unicorns gelandet?

Tobi: Ich habe mit meinem Nachbar Max Leutert immer auf der Straße gespielt und irgendwann war der dann am Wochenende immer unterwegs, weil er mit Football angefangen hat. Direkt nachdem ich dann 2007 zehn Jahre alt geworden bin, bin ich mal mitgegangen und dabei geblieben.

Junior: Ich bin in in der 3. Klasse zu Ian in die Grundschule am Langen Graben gekommen. Nach ein paar Wochen hat Ian dann alle mit zum Flag Football genommen. Das war nur wenige Tage nachdem Tobi angefangen hatte.

Ian: Man muss dazu sagen, dass Football damals erst ab zehn Jahren möglich war. Ich war erst neun, deswegen hat Sigi dann noch die Bambini-Mannschaft gegründet.

 

Ian, wie bereits angedeutet: Gründungsmitglied und Unicorns-Legende Siegfried Gehrke ist dein Papa. Hätte er dir überhaupt eine andere Sportart erlaubt?

Ian: Ja natürlich. Ich habe fast drei Jahre lange Fußball gespielt – so wie Sigi früher auch – und da war er auch immer bei den Spielen. Er hat nie gefordert, dass ich doch mal Football probieren soll. Dann habe ich aber gefragt, ob ich mal mittrainieren darf, weil sich bei uns daheim alles nur um Football gedreht hat.

 

Bei den Löfflers ist der Football-Virus auch ausgebrochen: Papa Manfred macht all die tollen Fotos und Bruder Sven ist für den Livestream verantwortlich - fühlst du dich da manchmal schuldig, Tobi?

Tobi: Erst einmal bin ich meiner Familie dankbar, was sie mir ermöglicht hat. Meine Mama hat kaum ein Spiel verpasst, auch auswärts nicht, was mir sehr viel bedeutet. Und die Leidenschaft von meinem Papa war halt immer schon das Fotografieren, dann hat er mit dem Football mal was Neues ausprobiert. Und Sven ist dann auch noch irgendwie mit reingerutscht. Vielleicht muss ich mich dafür irgendwann mal entschuldigen (lacht).

 

Hättet ihr denn gedacht, dass ihr den Unicorns so lange die Treue halten würdet?

Ian: Ich wäre wahrscheinlich enterbt worden, wenn ich über ein anderes Team nachgedacht hätte (alle lachen). Ich war aber immer schon jemand, der einer Sache eher treu bleibt.

Tobi: Und dazu kommt, dass wir mittlerweile in der Jugend seit über vier Jahren das gleiche System spielen wiebei den Aktiven. So ist man voll drin und kann gute Plays machen. Dazu kommt noch das sehr gute Coaching.

 

Ihr habt die Unicorns und deren Weiterentwicklung von klein auf miterlebt. Wo seht ihr die größten Veränderungen?

Ian: Die Aktiven-Spiele damals waren vom Niveau her nicht mit heute zu vergleichen. Das Interesse an Football ist unfassbar groß geworden. Als ich früher in der Schule erzählt habe, dass ich Football spiele, konnte kaum einer was damit anfangen. Heute ist das einfach jedem in der Gegend ein Begriff.

Junior: Wenn Spieler früher aus der Jugend raus kamen, durften sie bei den Aktiven relativ schnell viel spielen - auch, wenn sie nicht so gut waren. Heute kommst du aus der Jugend und es ist eigentlich klar, dass man noch zwei, drei Jahre warten und hart arbeiten muss, bis man seine Chance erhält.

Tobi: Ich dachte es diese Saison schon ein paar Mal, als wir wegen vieler Verletzungen relativ dünn besetzt waren: Wir haben mittlerweile eine zweite Garde, die absolutes GFL-Niveau hat und uns viel Stabilität gibt, wenn mal Leute ausfallen. Das ist echt eine starke Entwicklung.

Ian: Es ist ein riesiger Faktor, dass so viele Leute ehrenamtlich für uns aktiv sind. Ich kenne viele Vereine, wo das überhaupt nicht der Fall ist. Und was hier total im Vordergrund steht, ist die Jugendarbeit - die wurde immer schon gefördert. Ich weiß noch, als wir 2011 den ersten German Bowl gewonnen haben, waren im Training danach gefühlt dreimal so viele Kids im Training.

Tobi: Und heutzutage haben wir schon in den Nachwuchsteams richtige Athleten, weil sie von klein auf gefördert werden. Football ist in Schwäbisch Hall und der Region mittlerweile die Nummer eins, wenn es bei den Kids um die Auswahl der Sportart geht.

 

Junior, dich haben zwischendurch gleich zwei langwierige Verletzungen vom Football abgehalten. Was war deine Motivation, immer wieder zurückzukommen?

Junior: Einige Leuten meinten da schon zu mir: „Bist du eigentlich bescheuert, wieder anzufangen?“ Aber für mich war immer klar: Ich muss fit werden, damit ich wieder spielen kann - es hat einfach etwas gefehlt. Seit ich 2006 von Kamerun nach Deutschland gekommen bin, habe ich quasi ununterbrochen Football gespielt. Die Unicorns haben mir damals auch geholfen, die Sprache zu lernen und mich hier zurecht zu finden.

 

Ihr kennt euch durch die Unicorns alle schon eine Ewigkeit. Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, werden dann aus Teamkollegen zwangsläufig auch Freunde?

Tobi: Das ist definitiv Freundschaft. Ob vor oder nach dem Training, an den Wochenenden – wir haben uns eigentlich jeden Tag gesehen. Heute sind wir durch Ausbildung und Studium zwar alle etwas verstreut, aber immer noch eng miteinander verbunden.

Ian: Gerade jetzt, da zum Team auch immer neue Leute stoßen, ist es toll zu wissen, dass es ein paar Jungs gibt – also zum Beispiel Junior, Tobi und Moe (Anm. d. Red: Moritz Schreiber) – die immer da sind und auf die man sich hundertprozentig verlassen kann. Und wir können ganz detailliert über Plays reden, weil wir das System alle seit Jahren kennen.

 

Dann reden wir doch mal über Football. Tobi, was kann dein Defense- Kollege Junior besonders gut?

Tobi: Junior ist einer der krassesten Athleten, die ich kenne. Er hatte schon immer eine unglaubliche Schnelligkeit, auch wenn er durch die Verletzungen ein bisschen was eingebüßt hat. Wenn man denkt, er hat seinen Gegenspieler verloren und der Ball kommt, ist er auf einmal da und schlägt den Ball noch weg oder macht eine Interception – aus dem Nichts teilweise.

 

Junior, du triffst als Cornerback im Training gerne mal auf Ian als Receiver. Wo liegen seine Stärken?

Junior: Ian läuft seine Routen sehr sehr gut. Manchmal deckt man ihn ganz gut, aber durch die smarte Ausführung seiner Routen lässt er andere Receiver-Kollegen frei werden. Und: Ian hat gute Hände, wie man so schön sagt. Ein Punkt, wo er sich noch verbessern kann, ist der Kontakt. Wenn er den Ball hat, könnte er noch deutlich aggressiver sein.

Tobi: Das war schon in der C-Jugend so: Ian ist ein Kopf größer als alle anderen aber geht nach dem Catch sofort ins Aus (alle lachen).

 

Und was sagst du zu Tobis Weiterentwicklung in den letzten Jahren, Ian?

Ian: Tobi versteht das System mega gut, was für seine Position enorm wichtig ist, da er das Spiel als Linebacker lesen muss. Schon in der Jugend war Tobi immer derjenige, der alle mitgerissen hat. Wenn alle erschöpft waren, hat Tobi uns motiviert bis zum Ende zu kämpfen. Und genauso spielt er immer. Selbst wenn Tobi mal k.o. ist, geht er immer noch full speed.

 

Die #4 tritt diese Saison ja in große Fußstapfen: Daniel McCray hat dir nach seiner „Pensionierung“ seine Trikotnummer überlassen. Wie fühlst du dich damit?

Tobi: Daniel hat mich mehrmals gefragt, seine Nummer zu übernehmen. Er hat zu mir gesagt, dass ich Football aus Leidenschaft spiele und mein Herz am richtigen Platz habe. Ihm war wichtig, dass so ein Spieler die Vier übernimmt. Das ist schon eine Ehre, auch weil die Vier zuvor mit Sven Mielke einem weiteren starken Linebacker gehörte, der über Jahre eine feste Größe im GFL-Team war.

 

Ein ganzes Jahr im Mutterland des American Footballs – davon träumen viele. Ian, du durftest du es an der High School gleich zwei Jahre erleben. Wo liegt Football-technisch der größte Unterschied?

Ian: Maine, der Staat in dem ich war, ist vom Football-Niveau her nicht der allerbeste. Ich würde behaupten, dass unsere U19 die meisten High Schools hoch schlagen würde. Der große Unterschied ist nicht mal das Talent oder das Spielverständnis – wir haben hier wirklich auch gute Leute –, sondern die Arbeit, die reingesteckt wird. Wir trainieren hier zweimal die Woche, in den USA ist fünfmal die Woche Training. Aber dort ist Football halt Teil der Kultur.

 

Im Gegensatz zu den USA ist Football in Deutschland "nur" ein Hobby. Wie bekommt ihr das mit eurem Alltag unter einen Hut?

Tobi: Für mich ist es ein guter Ausgleich. Mit ein Grund warum ich studiere ist, dass ich das gut mit dem Football vereinbaren kann (lacht). In meinem Freiwilligenjahr im Freilandmuseum habe ich gemerkt, dass man das körperliche Arbeiten abends im Training ganz schön spürt. Beim Studieren ist es deutlich einfacher noch trainieren zu gehen, weil man eh nur den ganzen Tag in der Uni sitzt und sich noch bewegen will.

Junior: Ich bin ja die meiste Zeit meines Jobs vor dem Computer, da ist Football ein guter Gegenpol zum Job.

Ian: Ich bin noch nie hier auf den Trainingsplatz hoch gekommen und hatte keine Lust. Es ist einfach ein Teil meines Lebens – ein bisschen als hätte ich eine Krankheit und müsste jeden Tag ins Krankenhaus.

 

An den Fingern tragt ihr bereits einige funkelnde Meisterringe. 2016 habt ihr mit der Haller U19 die Deutsche Meisterschaft gewonnen, bei den Aktiven in den letzten zwei Jahren: Sind solche Erfolge Belohnung für all die investierte Zeit?

Tobi: Gerade der Junior Bowl-Ring bedeutet dem ganzen 1997er-Jahrgang sehr viel. Der Großteil des Teams hat über fünf Jahre zusammen gespielt und dann auch noch gegen Köln, gegen die wir zuvor zweimal im Halbfinale verloren haben. Für die ganze Zeit und Arbeit, die wir über Jahre reingesteckt haben, wurden wir da belohnt.

Ian: Wir waren über die komplette Nachwuchszeit recht erfolgreich, haben aber nie was Großes gewonnen. Und der Junior Bowl hat sich einfach self-made angefühlt. Im German Bowl hatte ich das Gefühl, das hätten sie auch ohne mich geschafft, aber am Junior Bowl-Sieg haben wir alle unseren großen Anteil gehabt.

 

Ihr habt in eurem jungen Alter schon echt viel gewonnen - wie motiviert ihr euch, trotzdem weiterzumachen und welche Ziele steckt ihr euch?

Tobi: Der Sport hält einen einfach. Die Leute, die ich hier habe und mitziehen sind Grund genug, weiterzumachen. Wir wollen ja unsere Stellung verteidigen und den Leuten beweisen, dass das 2017 und 2018 keine Eintagsfliegen waren.

Junior: Die beiden deutschen Meisterschaften 2017 und 2018 haben mir schon etwas bedeutet, aber mir fehlt noch etwas. Ich arbeite dafür, das zu erreichen, was Tobi und Ian 2016 im Junior Bowl erlebt haben. Dass ich dann wirklich von mir sagen kann, da habe ich etwas bewirkt. Deswegen habe ich mir auch keinen Meisterring machen lassen. Ich will mir den verdienen.

Ian: Was mich fasziniert und antreibt, ist zu sehen, dass die Unicorns immer weiter wachsen und so viele Leute begeistern. Immer wenn ich durch die Stadt gehe, sehe ich jemanden mit einem Unicorns-Shirt. Das macht einen schon stolz. Ich kann mir vorstellen, dass ich meine Erfüllung irgendwann im Coaching finde. Ich möchte mithelfen, ein langfristiges Fundament an Eigengewächsen aufzubauen und die lokalen Jungs auch halten zu können.

Tobi: Irgendwie hofft man, noch das nächste große Ding mit den Unicorns mitzuerleben.

   
   
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