Vorletzte Woche haben der American Football Verband Deutschland (AFVD) und die German Football League (GFL) veröffentlicht, dass der GFL1 und GFL2 durch veränderte Strukturen mehr Mitsprache und mehr Verantwortung übertragen werden soll. Dazu wurden Christoph Wolk und Jürgen Gehrke ein paar Fragen gestellt.

 

Laut Pressemitteilung des AFVD und der GFL befindet sich die Gründung der „Arbeitsgemeinschaft GFL“, der alle GFL1- und GFL2-Vereine beitreten und einen Ligavorstand bestimmen sollen, in Vorbereitung. Bei der am kommenden Sonntag stattfindenden Versammlung der Vereine der Bundesligen in Frankfurt / Main steht das Thema auf der Tagesordnung. Die Pressesprecher der beiden Kontrahenten des letzten Germanbowls, Holger Fricke von den NewYorker Lions Braunschweig und Axel Streich von den Schwäbisch Hall Unicorns, haben sich darüber mit ihren beiden Vertretern im GFL-Ligadirektorium, Christoph Wolk (Braunschweig) und Jürgen Gehrke (Schwäbisch Hall) unterhalten.

 

Bei den Strukturen des AFVD und der GFL scheint etwas in Bewegung zu kommen. Wie sieht der Plan und die neue Struktur aus?

 

Wolk: Das Ziel ist es, die beiden höchsten deutschen Spielklassen strukturell und organisatorisch auf selbständigere Beine zu stellen. Mittel- bis langfristig streben wir eine Organisationsform an, wie man sie von anderen Sportarten in Deutschland auch kennt. Im Kern beinhaltet das die Gründung einer Organisation, also ein Verein oder eine Kapitalgesellschaft, der alle Vereine der Top-Ligen angehören. Diese soll dann die für diese Ligen entscheidenden Dinge weitestgehend eigenverantwortlich regeln.

 

Gehrke: So eine Struktur und neue Organisation kann man aber nicht einfach mal so aus dem Boden stampfen. Deshalb planen wir in Abstimmung mit dem AFVD-Präsidium als einen ersten Schritt die Benennung eines Ligavorstands, dem auch kurzfristig bereits erste Aufgabenbereiche und Verantwortlichkeiten sowie ein entsprechendes Budget übertragen werden soll. In dieser Übergangsorganisation wollen wir erste Erfahrungen sammeln und parallel die Grundlagen für die Zielorganisation legen.

 

Was veranlasst Euch zu diesem Schritt und welchen Nutzen verspricht man sich davon? Mit dem GFL-Ligadirektorium hatte man doch eigentlich ein Gremium zur Steuerung der Top-Ligen geschaffen. 

 

Gehrke: Die Idee des Ligadirektoriums war und ist es tatsächlich, die Vereine stärker an der Steuerung der Liga zu beteiligen. Dies hat bis zu einem gewissen Punkt auch funktioniert, wir erhoffen uns aber durch die neue Struktur noch mehr Effektivität, da das Ligadirektorium in vielen Bereichen dann eben doch „nur“ eine beratende Funktion hat. Der AFVD hat bislang auch operativ alle Leistungen erbracht, die für die Ligaorganisation, den Spielbetrieb, die Vermarktung und vieles mehr erforderlich sind und ohne die es keine GFL geben könnte. Einen direkten Einfluss der Vereine, die in den Top-Ligen nun mal sehr spezifische Bedarfe haben, gab es aber nicht. Das möchten wir ändern.

 

Wolk: Die GFL1/2-Vereine bringen viele Leistungen in das Gesamtsystem ein. Zum einen monetär zur Finanzierung der Ligaorganisation und in Form von andern Investitionen, wie zum Beispiel der Produktion von Livestreams. Zum anderen aber auch ihre sportliche Leistung, die die Ligen eben zu den Top-Ligen unseres Sports macht. Sie sind quasi das „Aushängeschild“ des American Football in Deutschland und sie betreiben dafür einen sehr hohen finanziellen, organisatorischen und personellen Aufwand. Das alles vor dem Hintergrund eines starken Wachstums und einer in einigen Bereichen mindestens semiprofessionellen Entwicklung der Liga. Gleichzeitig sind sie ihren Vereinsmitgliedern gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet. Sie brauchen also eine zumindest ausreichende Transparenz über Abläufe, Entscheidungen und über die Mittelverwendung. Außerdem haben einige Vereine auch Kompetenzen, die man sinnvoll und wertschöpfend für die gesamte Liga und damit für eine positive Entwicklung aller Vereine einsetzen kann. All das kann ein Ligadirektorium der heutigen Prägung nur sehr rudimentär bis gar nicht leisten. Es braucht dafür mehr Mitbestimmung und Entscheidungskompetenz, die deutlich näher an der Liga und ihren Vereinen angesiedelt ist.

 

Gehrke: Es geht auch darum, das Potenzial der Ligen besser auszuschöpfen, indem wir zwischen den Vereinen und mit dem Verband effizienter und besser zusammenarbeiten. Das wird natürlich nur gelingen, wenn wir Vereine auch dazu bereit sind, mehr Verantwortung zu übernehmen. Wir wollen die Potenziale der GFL zur Wirkung bringen und sie so ausrichten, dass davon unser Sport insgesamt und alle, die darin involviert sind, profitieren. Alles andere wäre auch mehr als Kontraproduktiv, denn die GFL braucht die Verbände und die glücklicherweise vielen Vereine auch in den unteren Ligen mindestens genauso wie die Verbände und Vereine die GFL als mediales Zugpferd und sportlichen Anreiz brauchen. In diesem Zusammenhang unterscheidet sich American Football übrigens auch nicht von anderen Sportarten. 

 

Wie ist dieses Konzept entstanden?

 

Wolk: Im Ligadirektorium und auch vorher in der „AG Zukunft“ diskutieren wir schon seit Anfang 2016 darüber, wie wir die GFL mit ihren Potenzialen besser zur Geltung bringen und sie weiterentwickeln können. Das ist, insbesondere in einem großen Gremium, kein leichtgängiger Prozess. 2018 hatten wir im Kreis der Vereinsvertreter begonnen, erste Skizzen für ein Zielbild zu erstellen, haben die Aufstellungen anderer Sportarten analysiert und die Überlegungen immer weiter verfeinert. Eigentlich wollten wir dann schon im März dieses Jahres in die Abstimmung und Umsetzung gehen. Dann kam aber Corona und der Fokus lag damit erstmal bei allen Beteiligten auf den Herausforderungen, die die Pandemie für uns in diesem Jahr mit sich gebracht hat. Inzwischen sind wir im September, aber das ist gerade noch rechtzeitig, um für das kommende Jahr schon erste Veränderungen einleiten zu können.

 

Gehrke: Paradoxerweise hat uns vielleicht gerade dieses Corona-Jahr ohne GFL-Spielbetrieb bei dieser Initiative und dem Feinschliff des Konzepts geholfen. Die vielen langen und nervenaufreibenden Diskussionen zum Umgang mit Corona in verschiedenen Gremien mit wenig Entscheidungskraft haben es für alle sehr offensichtlich und erlebbar gemacht, dass wir ein Struktur- und Steuerungsproblem haben. Ich glaube, dass wir auch deshalb mit unserem Vorschlag bislang auf sehr breite Zustimmung gestoßen sind.

 

Die „AG Zukunft“, das Ligadirektorium und andere Ansätze haben die GFL in den letzten Jahren nur wenig verändert. Warum soll das jetzt und mit diesem Vorgehen gelingen?

 

Wolk: Jürgen hat schon erwähnt, dass unser Vorschlag gut ankommt, sowohl bei den Vereinen als auch beim AFVD-Präsidium. Diese Unterstützung ist sehr wichtig und macht uns zuversichtlich, dass unser Ansatz tragfähig ist. Das Konzept verfolgt nicht den Ansatz „Jetzt probieren wir es eben mal damit“. Es ist vielmehr so, dass in die Vorarbeit viel und teilweise jahrzehntelange GFL-Erfahrung eingeflossen ist und wir finden, dass das Ergebnis jetzt reif für eine Umsetzung ist. Natürlich gibt es da noch ein paar Fragezeichen, wie was ganz konkret und im Detail laufen kann und soll. Es ist auch verständlich, dass es hier und da die Skepsis gibt, ob das am Ende gelingen kann. Definitiv wissen tun wir das erst, wenn wir es versucht haben. Dafür haben wir ein williges und motiviertes Team. Das braucht auf jeden Fall noch Unterstützung und dazu wurden alle GFL1/2-Vereine auch schon aufgerufen. Der Kern ist aber schon da und er ist bereit loszulegen. Außerdem kann man operativ auch auf eine vorhandene und über Jahre gewachsene Struktur aufbauen.

 

Es gibt Stimmen, die den Verdacht äußern, dass diese Initiative nur ein Winkelzug des AFVD-Präsidiums sei, mit dem man Kritiker besänftigen will, sich unter dem Strich aber nichts verändern soll und wird.

 

Gehrke: Es kann kein Winkelzug des AFVD-Präsidiums sein, denn die Initiative dazu geht und ging von den Vertretern der GFL-Vereine aus. Wir sind damit auf das AFVD-Präsidium zugegangen, nicht umgekehrt. Es sind auch die Vereine, die diese Veränderung aktiv und federführend gestalten wollen. Darüber haben wir uns natürlich mit dem AFVD-Präsidium abgestimmt und es gibt da an einigen Stellen durchaus noch unterschiedliche Einschätzungen. Trotzdem haben wir das Commitment des Präsidiums, diesen Weg jetzt gemeinsam zu gehen, worüber wir sehr froh sind.  

 

Ein weiterer Verdacht, der geäußert wird ist, dass diese Initiative schnell gestartet wurde, um von der kürzlich vom AFV-NRW publik gemachten Kritik an AFVD-Präsident Robert Huber abzulenken.

 

Wolk: Das ist ein schon sehr abenteuerlicher Gedanke. Die Nachricht aus NRW ereilte uns zwei Tage vor unserem abschließenden Meeting zu dem Konzept. Die Termine für die Präsentation des Konzepts vor allen GFL1- und GFL2-Vereinen waren zu diesem Zeitpunkt auch schon lange terminiert und ich habe ja vorhin bereits erwähnt, wie lange daran schon gearbeitet wird. Sowas erstellt man nicht mal einfach so innerhalb von wenigen Tagen.

 

Eine abschließende Frage: Was sind die kritischen Erfolgsfaktoren für dieses Vorhaben?

 

Gehrke: An erster Stelle steht da die aktive Unterstützung in Form der Mitarbeit von kompetenten, motivierten und praxisnahen Leuten. Dann wird man sicher etwas Zeit brauchen, um die ersten Schritte sauber und gründlich aufsetzen und gehen zu können. Und als dritten Faktor sehe ich konstruktive Diskussionen, gerne auch Anregungen und sachliche Kritik, aber keine pauschalen Vorverurteilungen und Falschinterpretationen. Wir meinen es mit diesem Change ernst und ehrlich. Dabei hoffen wir sehr, dass die Football-Öffentlichkeit in Deutschland den handelnden Personen auch die Chance gibt und sie dabei unterstützt, ihn erfolgreich zu gestalten.

 

   
   
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