U MAG Jahresrückblick 2020:  „Wir sind drin“ - mit diesem Slogan, frei nach einem zu jener Zeit populären AOL-Werbespot mit Boris Becker, gaben die Unicorns vor genau 20 Jahren ihren Aufstieg in die German Football League bekannt. Dieser Nachricht ging damals eine Saison mit Höhen und Tiefen sowie eine vorweihnachtliche Zeit des Wartens voraus.

 

Aber der Reihe nach. Nach einem Durchhänger Mitte der 90er-Jahre, der uns bis in die Oberliga (der heutigen Heimat der 2. Mannschaft) absteigen ließ, traten wir in der Saison 2000 zu unserer vierten Saison in der 2. Bundesliga an. In den drei Jahren zuvor waren wir jeweils im oberen Mittelfeld der Tabelle gelandet, aber der spätestens 1999 auch medial offensiv angestrebte Aufstieg wollte nicht gelingen.

 

In der ersten Saison im neuen Jahrtausend wählten wir mit dem Motto „Just Win, Baby“ einen eher bescheidenen Ansatz, der den Druck von der Mannschaft nehmen sollte. Dennoch fühlten wir uns intern durchaus bereit, den nächsten Schritt zu tun. Bei dieser Einstellung war sicher auch ein bisschen Trotz dabei, hatten wir doch nach der Saison 1999 einige langjährige Leistungsträger an den GFL-Aufsteiger und Lokalrivalen Franken Knights verloren.

 

Andererseits waren die meisten Stammspieler des Vorjahres erhalten geblieben, darunter einige deutsche Jugend-Vizemeister von 1997 wie Benjamin Ehlers, Bernhard Günter, Sven Mielke, Sven Schönemann oder die Brüder Jürgen und Thomas Bauer, die allesamt gerade erst auf ihren Zenit zusteuerten. Als Imports kehrten Quarterback Chris Stormer und Receiver Eric Newton zurück, was der Offense die nötige Durchschlagskraft geben sollte.

 

Und es lief dann auch lange Zeit sehr gut für uns, im ersten Teil der Saison gab es lediglich eine 23:32-Niederlage bei den Saarland Hurricanes, die ihrerseits im Saisonverlauf in Darmstadt und Marburg patzten. So musste das Rückspiel gegen die Saarländer im Hagenbachstadion die Entscheidung um die Meisterschaft bringen. Aber ausgerechnet dieser Tag im Juli war ein rabenschwarzer für uns und wir verloren vor fast 1.000 Zuschauern – einer Rekordkulisse zu dieser Zeit – mit 7:20.

 

Ein ganz kleiner Hoffnungsschimmer glimmte noch, denn ein paar Wochen später empfingen die Hurricanes zu ihrem Saisonfinale die stets gefährlichen Marburg Mercenaries. Rund 30 Haller Spieler und Coaches machten sich im wahrsten Sinne des Wortes mit Pauken und Trompeten auf den Weg zum Spielort Homburg und unterstützten lautstark die Mercenaries, so dass sich die heimischen Zuschauer über diesen „grünen Fanclub“ der blau-roten Marburger wunderten. Zur Halbzeit führten die Gäste auch tatsächlich mit 7:0, aber am Ende behielten dann doch die Saarländer mit 24:21 die Oberhand und sicherten sich so den Titel.

  

Wir hatten uns zwar die Meisterschaft nicht ausdrücklich zum Ziel gesetzt, aber am Ende unserer bis dahin besten Saison in der 2. Liga (24:4 Punkte, Topscorer wurde übrigens Receiver und Kicker Dietmar „Didi“ Wengert mit 144 Punkten) war die Enttäuschung natürlich trotzdem groß. Es ging in die Winterpause mit der Erwartung, in der Saison 2001 erneut in der 2. Liga anzutreten.

  

Doch dann kam im Oktober die Nachricht, dass den Aschaffenburg Stallions die GFL-Lizenz entzogen würde. Die Nordbayern waren während der Saison 2000 zu zwei Spielen nicht angetreten, beim bereits als Absteiger feststehenden Landsberg Express angeblich mit der Begründung, dass „es ja um nichts mehr geht“. Sportlich hatten sie mit dem vorletzten Tabellenplatz zwar den Klassenerhalt gerade so gerettet, doch dann wandte der AFVD seine Statuten an und warf die Stallions aus der Liga. Um die Sollstärke zu erhalten, wurden gleichzeitig die Unicorns aufgefordert, sich um eine GFL-Lizenz zu bewerben.

 

Zwar hatten wir vor der Saison das Ziel gehabt, in die GFL aufzusteigen, aber nun galt es in einer kurzfristig anberaumten Vorstandssitzung zu entscheiden, ob das auch jetzt noch so war. Immerhin waren schon einige Weichen Richtung 2. Liga 2001 gestellt worden. Die Diskussion dauerte jedoch nicht lange, wir fühlten uns bereit für die 1. Liga!

 

Zehn Jahre nach dem Abstieg aus der höchsten deutschen Spielklasse war diese also wieder zum Greifen nah. Doch uns standen noch einige Wochen bangen Wartens bevor. Zunächst musste erstmals von uns ein Lizenzantrag gestellt werden, eine Mammutaufgabe, die seit jenem Herbst Axel Streich jedes Jahr aufs Neue auf sich nimmt und die mittlerweile rund 70 Seiten Papier umfasst. Gleich bei der ersten Auflage machte es „Ale“ so gut, dass uns als einem von nur vier Vereinen die Lizenz ohne Auflagen erteilt wurde.

 

Aber noch war der Aufstieg am grünen Tisch nicht geschafft, denn die Aschaffenburger wollten den Rauswurf aus der GFL durch das Einlegen von Rechtsmitteln verhindern. Der Fall ging also durch die AFVD-Rechtsinstanzen und es dauerte bis zum 18. Dezember, bis bei unserem Abteilungsvorsitzenden Jürgen Gehrke das Telefon klingelte und die erlösende Nachricht des Bundesverbandes kam: „Der Einspruch der Stallions wurde in letzter Instanz zurückgewiesen, ihr seid in der GFL!“ Weihnachten war gerettet und für uns begann das „Wintermärchen“, die Vorbereitung auf die erste Spielzeit in der höchsten deutschen Spielklasse. Und da wir nicht gestorben (oder abgestiegen) sind, spielen wir dort noch heute…

 

 

Info

Siegfried Gehrke ist Gründungsmitglied der Schwäbisch Hall Unicorns und führte die Einhörner als Head Coach (1991 – 2016) zu den ersten beiden deutschen Meisterschaften 2011 und 2012. Heute ist der 55-Jährige als Unicorns-Sportdirektor im Vorstand und als Jugend-Coach tätig. In jeder Ausgabe des U MAG schreibt „Sigi“ in seiner Kolumne „UNICORNer“ über aktuelle Themen rund um die Unicorns und American Football.

 

   
   
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